Harte Pornografie im Cache kann strafbar sein

Das Bundesgericht hat im Mai 2011 eine Praxisänderung bezüglich der Speicherung von harter Pornografie im Cache-Speicher vorgenommen. Bis anhin war das blosse Belassen dieses Materials im Cache-Speicher nicht strafbar. Neu ist es strafbar, wenn es bewusst geschieht. Nachfolgend wird das Urteil (BGE 6B_744/2010 vom 12.05.2011) kurz zusammengefasst sowie auf die lesenswerte Besprechung von Jonas Achermann in Jusletter hingewiesen.

Die Strafbestimmung in Art. 197 Ziff. 3bis StGB

Im Art. 197 StGB ist geregelt, was im Umgang mit Pornografie strafbar ist. Die Ziff. 3bis dieser Strafbestimmung enthält u.a. das Verbot des Besitzes harter Pornografie:

3bis  Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Ziffer 1, die sexuelle Handlungen mit Kindern oder Tieren oder sexuelle Handlungen mit Gewalttätigkeiten zum Inhalt haben, erwirbt, sich über elektronische Mittel oder sonst wie beschafft oder besitzt.

Dabei führt Ziff. 1 aus, welche „Gegenstände oder Vorführungen“ gemeint sind:

[…] pornografische Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen, Abbildungen, andere Gegenstände solcher Art oder pornografische Vorführungen

Die bisherige Rechtslage

Strafbar nach Art. 197 Ziff. 3bis StGB ist der Erwerb, das Beschaffen und der Besitz von harter Pornografie. Erwerb und Besitz interessieren in diesem Beitrag nicht. Der blosse Konsum von harter Pornografie ist nicht strafbar. Nicht als Besitz galt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichs bis anhin, wenn sich die entsprechenden Dateien mit hartem pornografischen Inhalt lediglich im Cache-Speicher wiederfanden.

Im Cache-Speicher werden temporär Internetdateien (v.a. Grafiken) automatisiert lokal (auf der Festplatte des Nutzercomputers) abgelegt während der Nutzer im Internet surft. Beim nächsten Abrufen derselben Seite kann so z.B. ein Logo von der Festplatte aus angezeigt werden, muss also nicht immer wieder frisch aus dem Internet heruntergeladen werden. Dies ermöglicht z.B. Bandbreite zu sparen und sich schneller im Internet zu bewegen.

Das Bundesgericht war sich in der rechtlichen Beurteilung dieser Speicherung einig mit dem Bundesrat, wie Achermann (Rz. 10) aufzeigt:

Das Bundesgericht lag damit auf der Linie des Bundesrates, welcher in der Gesetzesbotschaft zu Art. 197 Ziff. 3bis StGB die Meinung vertrat, dass das Vorhandensein solcher harter Pornographie im Cache-Speicher noch keinen Besitz im Sinne von Ziff. 3bis darstelle, weil der durchschnittliche Computernutzer regelmässig keine Kenntnis über die Existenz eines solchen Cache-Speichers verfüge (E. 3.2).

In der zitierten Gesetztesbotschaft (BBl 2000 2943, S. 2980) formulierte es der Bundesrat im Jahr 2000 folgendermassen:

Nimmt hingegen der Browser (das Such- und Darstellungsprogramm für Inhalte des World Wide Web) in temporären Dateien (sog. Cache) eine Zwischenspeicherung von Dateien pornografischen Inhalts vor, so stellt das Vorhandensein solcher temporärer Dateien, auf deren Entstehung viele Internet-Benutzer keinen Einfluss nehmen können, nach Auffassung des Bundesrates in der Regel noch keine als Besitz zu qualifizierende Sachherrschaft dar.

Das Bundesgericht ging deshalb davon aus, dass die Nutzer zwar faktisch eine Herrschaftsmacht über den Cache-Speicher hätten (sie könnten theoretisch darauf zugreifen), dass das aber dem Durchschnittsnutzer der Herrschaftswillen fehle (weil er von seiner Herrschaftsmacht keine Kenntnis hat oder nicht weiss, wie er sie faktisch ausüben kann). Daher lag jeweils kein strafbares Besitzen vor. Konsequenterweise hat das Bundesgericht im Cache gespeicherte harte Pornografie immer als straflosen Konsum bewertet.

Die neue Rechtslage

Im neuen Urteil ändert das Bundesgericht seine Rechtsprechung und schreibt nun Folgendes (E. 4.2.2):

Ein ungeübter Computer-/Internetbenutzer, der von der Existenz des Cache-Speichers und den darin enthaltenen Daten nichts weiss, fällt als Täter nach Art. 197 Ziff. 3bis StGB ausser Betracht. Ob er von den Daten Kenntnis hat, ist nach den konkreten Umständen im Einzelfall zu entscheiden. Hinweise darauf können sich beispielsweise aus der Änderung der automatischen Internet-Einstellungen, dem Vorhandensein von Programmen wie Cache-Viewer bzw. Cache-Reader, der manuellen Löschung des Cache-Speichers, dem Nachweis eines Offline-Zugriffs oder aus seinen allgemeinen Fachkenntnissen im Zusammenhang mit Computern und Internet ergeben.
Wer hingegen um die automatische Speicherung der strafbaren pornographischen Daten weiss und diese im Nachgang an eine Internetsitzung nicht löscht, manifestiert dadurch seinen Besitzwillen, selbst wenn er darauf nicht mehr zugreift. […] Das bewusste Belassen von verbotenen pornographischen Daten im Cache fällt somit unter den Tatbestand des Besitzens nach Art. 197 Ziff. 3bis StGB.

Fazit

Findet sich im Cache-Speicher eines Nutzers harte Pornografie, liegt eine Herrschaftsmacht vor. Zusätzlich ist aber auch ein Herrschaftswille des Nutzers notwendig, damit er nach Art. 197 Ziff. 3bis strafbar ist. Ob ein Herrschaftswille vorliegt, empfiehlt das Bundesgericht künftig nach folgenden Kriterien zu entscheiden:

  • Wurden die automatischen Internet-Einstellungen geändert?
  • Sind Programme wie Cache-Viewer oder Cache-Reader vorhanden?
  • Wurde der Cache-Speicher manuell gelöscht?
  • Kann ein Offline-Zugriff auf die Daten im Cache-Speicher nachgewiesen werden?
  • Ergibt sich der Herrschaftswille aus den allgemeinen Fachkenntnissen im Zusammenhang mit Computern und Internet?

Wie die Gerichte die fünkte Kriterien und davon insb. den letzten Punkt der allgemeinen Fachkenntnisse beurteilen werden, wird mit Spannung zu beobachten sein.

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4 Kommentare

    1. Das habe ich ganz übersehen! Habe heute nur noch das Update gemacht und keine neuen Recherchen… Merci für den Hinweis, ich füge ihn gleich an.

  1. Le TF me paraît sévère en demandant à celui qui consulte légalement de la pornographie dure de prendre des mesures supplémentaires en modifiant la configuration par défaut de son navigateur ou effaçant manuellement le contenu du cache (ce qui serait d’une certaine manière accéder aux images enregistrées…).
    En fonction des connaissances techniques de l’utilisateur, il pourrait s’avérer difficile d’établir une intention d’acquérir des fichiers lorsqu’un internaute mais sait que des fichiers sont stockés temporairement quelque part mais ne sais ni comment les consulter, ni comment les supprimer. Et cela sans ajouter dans la discussion que vider le cache d’un navigateur ne supprime pas réellement les fichiers en question…
    J’avais déjà fait un commentaire/résumé de cet arrêt (en français) en juin sur mon blog (http://wp.me/p17E7Z-cA).

    1. An sich bin ich mit dem Kommentar einverstanden: Das Bundesgericht ist hat seine Rechtsprechung ziemlich verschärft. Den Herrschaftswillen nachzuweisen wird zudem ganz bestimmt die Knacknuss werden. Und die Frage des engültigen Löschens hat das Bundesgericht nicht behandelt (so wie früher die Frage, was denn irgendeinmal – also heute – sein wird, wenn die Nutzer technisch versierter werden…). Aber auf der anderen Seite musste das Bundesgericht seine Haltung dazu wirklich revidieren. Es kann ja heute wirklich nicht mehr grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass kein Herrschaftswille über Daten besteht, die mit Spezialtools zugänglich sind. Nun ist es an der künftigen Rechtsprechung die Kriterien genauer zu definieren und mit Beispielen zu verdeutlichen.

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